Club der roten Bänder (Foto: VOX/Guido Lange)
Club der roten Bänder (Foto: VOX/Guido Lange)

Willkommen im Club der roten Bänder

Deutsche Serien sind langweilig. Deutsche Serien besteht nur aus Krimis und Ärzten. Irgendwie mag man ja nicht mehr so recht dran glauben, dass das deutsche Fernsehen noch Serien stämmen kann, die gleichwohl gut gemeint und gut gemacht sind. Mit dem „Club der roten Bänder“ zeigt ausgerechnet VOX, ein Sender aus der zweiten Fernsehriege, wie gut deutsche Serien noch sein können. Und das nicht irgendwo in der Nacht versteckt, sondern Montags 20:15 Uhr. Zur besten Sendezeit.

Noch eine Krankenhausserie?

Gut, zugegeben, der „Club der roten Bänder“ spielt in einem Krankenhaus, genauer gesagt in der Kinder- und Jugendmedizin. Aber hier dreht sich nicht alles um den Alltag der jungen Ärzte oder die großen Dramen im OP. Was die Serie auszeichnet ist eine Bande aus sechs Jugendlichen, die – jeder auf seine eigene Art und Weise – für längere Zeit an das Leben im Krankenhaus gebunden ist und alle durch ihre Erlebnisse miteinander wiederum zueinander finden.

Krebs, Koma, Magersucht, es gibt keine Tabus. Denn am Ende suchen alle nur eins: Freundschaft. Eine Möglichkeit irgendwie ein normales Leben im Krankenhaus zu führen ohne in Frustration und Einsamkeit zu versinken. Jeder Charakter hat dabei seine Eigenheiten, eine glaubwürdige Hintergrundgeschichte und natürlich: Eine Krankheit.

Leo und Jonas haben Krebs und verlieren beide ihr Bein, Emma Magersucht, Alex mehrfach einen Herzstillstand, Toni ist geistig behindert und Hugo, der Jüngste, verbindet alle. Er ist der gute Geist. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn er liegt seit zwei Jahren im Koma – und trotzdem findet jeder der andere seine ganz eigene Verbindung zu ihm. Ein zentrales Thema ist nämlich der Zustand zwischen Leben und Tod, in dem sich Hugo bereits die ganze Zeit befindet. Alle anderen begegnen ihm dort gelegentlich. Bei Nahtoderfahrungen, durch ihre Krankheiten oder durch Toni, der einen siebten Sinn für diese Zwischenwelt zu haben scheint.

Hugo und das Schwimmbad sind ein zentrales Element der Serie (Foto: VOX/Martin Rottenkolber)
Hugo und das Schwimmbad sind ein zentrales Element der Serie (Foto: VOX/Martin Rottenkolber)

So befindet sich Hugo immer in jenem Schwimmbad, in dem er durch einen unglücklichen Sprung vom 10-Meter-Turm, überhaupt erst ins Koma gefallen ist.
Wie ich finde eine ganz wunderbare Metapher für dieses Ding zwischen Leben und Tod. Im Wasser schwimmen und kurz vorm Ertrinken sein oder an der Wasseroberfläche wieder an den Rand nach dem Leben greifen?

Am Ende der zweiten Folge gründen die Jugendlichen eine Gang, den sogenannten „Club der roten Bänder„. In Anlehnung an die roten Bändchen, die jeder Patient beim OP-Besuch bekommt.

Keine 08/15-Serie

Der entscheidende Faktor für mich ist, dass die Schauspieler für die Serie perfekt ausgewählt wurden und man direkt mit ihnen mitfühlen kann, ja in die Welt eintaucht und nicht mehr durch den schnöden Bildschirm physisch von ihr getrennt ist. Mehr als einmal hatte ich plötzlich Gänsehaut. Dazu trägt auch die außerordentlich gute Produktionsqualität bei, die sich optisch und akustisch hinter keiner großen US-Serie verstecken muss.

Eine komplett deutsche Erfindung ist der „Club der roten Bänder“ trotzdem nicht. Die Serie basiert auf dem spanischen Original „Polseres Vermelles„, das mittlerweile in 13 Länder adaptiert wurde. Aber wie das mit Adaptionen so ist, bietet das auch unglaublich viel Spielraum für regionale Eigenheiten, mit denen man dieses spannende Thema: Wie gehen junge Menschen mit schweren Krankheiten und dem Leben im Krankenhaus um, anreichern kann.

Deutsches Fernsehen und die neue Liebe zur Serie?

Einfach mal den Krankenhausalltag vergessen ...(Foto: VOX/Martin Rottenkolber)
Einfach mal den Krankenhausalltag vergessen … (Foto: VOX/Martin Rottenkolber)

Eine vergleichbare Serie kenne ich im deutschsprachigen Raum nicht. Am ehesten erinnert sie mich noch an das geniale „Mein Leben und ich“ mit Wolke Hegenbarth – nur deutlich ernster. Ohne sich jedoch selbst zu ernst zu nehmen. Denn Humor hat der „Club der roten Bänder“ durchaus, nur ist es eher diese Art Galgenhumor, den man nunmal im Krankenhaus entwickelt.
Ich jedenfalls bin gespannt, wie die Serie in den kommenden Wochen inhaltlich, und natürlich aus Quotensicht, weiter geht. Am liebsten hätte ich sie jetzt am Stück geschaut. Aber vor lauter Bingewatching hat vielleicht auch endlich das lineare Fernsehen wieder seine Liebe zur Serie entdeckt. Wünschen würde ich’s mir. Ein echtes Must-See im TV. Montag, 20:15 Uhr, ist definitiv ein Statement und ein Termin, der bei mir jetzt fest gebucht ist.