Bei Madsack hat man sich mit einem Design-Relaunch dazu entschieden die Online-Marke des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) zu stärken. Darunter leidet aber auch die visuelle Eigenständigkeit der Lokalzeitungen wie der "Leipziger Volkszeitung" oder der "Hannoverscher Allgemeinen Zeitung". Ist das dennoch sinnvoll? Ja, aber auch nein.
Eine gute Marke erkennt man auf den ersten Blick. Sie ist einprägsam, erzeugt Emotionen und das Gefühl einer gewissen Vertrautheit. Die Form eine Coca-Cola-Flasche allein reicht aus, um sich an den Geschmack zu erinnern. Das Lila der Milka weckt ein Gefühl der Kindheit – oder zumindest die Assoziation mit lila Kühen.
Bei großen Nachrichten-Seiten ist das ganz ähnlich: Den Screenshot einer BILD-Überschrift erkannt man ohne langes Überlegen – selbst wenn das berühmte Logo gar nicht in der Nähe ist. Und das typische Rot des Spiegels weckt Erinnerungen an das seit vielen Jahren bekannte Cover-Design des Magazins.
Die visuelle Individualität der Lokalseiten wird auf ein Minimum reduziert
Was Madsack jetzt für seine Nachrichtenprodukte rund um das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (kurz RND) und seine vielen Lokalzeitungen wie die „Leipziger Volkszeitung“ und der „Hannoverschen Allgemeinen“ ausgerufen hat, steht dem diametral entgegen: Den ersten Screenshots zu Folge und mit Blick auf die bereits runderneuerte Seite unter rnd.de deutet sich eine Whitelabel-Lösung an, bei der sich die visuelle Ansprache einzig durch das kleine blaue oder schwarze Logo oben in der Mitte des Seitenkopfes unterscheidet.
Ansonsten herrscht Einheitskost: Die immer gleichen Blau- und Grautöne, die immer gleiche Typografie und ein klarer Fokus darauf, den Absender RND zu stärken – nicht jedoch die Einzigartigkeit der untergeordneten Marken. Die Richtung ist klar: „Wo immer Sie unser neues und heute eingeführtes kobaltblaues RND-Logo sehen, sollen Sie sich auf uns und unsere Arbeit verlassen können“, heißt es dann auch von RND-Chefredakteur Marco Fenske in seinem Begrüßungstext zum neuen Design.
Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass das Logo des RND auf den Lokalseiten noch präsenter wird, um so die Marke und den Absender zu stärken.
RND als Qualitätsstempel – und als Dachmarke im Fokus
Was aus meiner Sicht darunter leidet, ist aber die Eigenständigkeit und Individualität der lokalen Marken vor Ort. Jetzt haben sie zwar den „Qualitäts-Stempel“ vom RND noch deutlicher verpasst bekommen – nämlich in Form eines großen blauen Streifens über dem Logo der Lokalzeitungen – die eigenen Akzente müssen sich dem aber unterordnen. Man verfällt visuell in eine Beliebigkeit, die sich künftig durch eine Ausweitung der RND-Plattform fortsetzen könnte. So heißt es in der Pressemitteilung zum Relaunch: „Gleichzeitig etabliert MADSACK mit RND OnePlatform eine auf weitere Partnerschaften ausgerichtete Publishing-Plattform, die alle relevanten digitalen Redaktions-, Vertriebs- und Marketingprozesse bündelt.“
Genau dafür hat die Strategie auch erst einmal Vorteile: Man kann die Reichweiten leichter gemeinsam vermarkten, braucht weniger Techniker und hat weniger Wartungsaufwand.
Wohin das aber auch führen kann, sieht man heute schon bei RTL. Dort haben die Streaming-Plattform, der Webauftritt und zahlreiche TV- und Spartensender de facto dasselbe Logo. Wenn ich beim Zappen kurz „RTL up“ und dann „RTL living“ sehe, muss ich schon genau hinschauen, wo ich gerade da gelandet bin. Die Eigenständigkeit der kleinen Marken tritt hinter dem #United-Gedanken der Dachmarke zurück.
Das ist eine valide Strategie, nimmt der Wahrnehmung der Produktwelt, Vielfalt und der Eigenständigkeit der Untermarken aber auch ein Stück weit die eigene Strahlkraft. Und während RTL mit der Strategie die eigentlichen Formate wie Let’s Dance oder RTL Direkt hinter dem zurückgenommenen Sender-Logo noch mehr wirken lassen kann, bleibt den Zeitungen als Kerninhalt eben Texte. Im Gegensatz zu einer TV-Sender haben diese für sich genommen wenig visuelle Strahlkraft. Es sind Texte – schwarz auf weiß.
Schon in der Vergangenheit haben sich Seiten der RND-Lokalmarken visuell stark aneinander angenähert – es gab aber noch feine farbige Akzente, die Hinweise auf Paywall-Inhalte waren klar und kontrastreich zuzuordnen und in Grafiken hat sich immer wieder ein eigener Stil widergespiegelt. Gerade da hoffe ich auch, dass man sich das behält.
Austauschbares Material Design hebt die RND-Seiten auch schlecht von fremden Produkten ab
Noch viel dramatischer finde ich aber, dass man sich zugleich für ein beliebiges und austauschbares Material Design entschieden hat. Das Farbschema blau-weiß haben auch dutzende andere Nachrichtenseiten. Herausragende eigene Akzente sucht man vergebens. Stattdessen gibt es Kreise, Linien und eine zurückhaltende Typografie, die keine eigene Identität hat. Das sieht bei den Überschriften etwa von BILD und Stern ganz anders aus. Und die Navigation und Strukturierung der Seite wirkt bislang vor allem generisch.
Die RND-Seiten sind so nicht nur einige von vielen – sie sehen auch aus, wie einige von vielen News-Webseiten. Beziehungsweise durch das super simple Design sogar wie viele andere Blogs, Support-Seiten und letztendlich auch wie Seiten von Google – die den Look begründet haben.
Gerade in einer Zeit, in der vertrauenswürdige Quellen in Konkurrenz zu Telegram-Schwurblern und Meinungsseiten stehen, ist das aus meiner Sicht ein falsches Signal. Es braucht vielfältige und seriöse Angebote, die Lesern Orientierung und Einordnung aus verschiedenen Perspektiven bieten. Das muss sich auch im Design widerspiegeln. Klar machen, wer ganz eindeutig der Absender ist. Ein Einheitslook verwässert diesen Eindruck und spiegelt visuell im schlimmsten Fall eine Gleichschaltung wider, die redaktionell überhaupt nicht gegeben ist.