RTL macht sich im Magazin Explosiv über Gamer lustig (Foto: Frank Krause / RTL)
RTL macht sich im Magazin Explosiv über Gamer lustig (Foto: Frank Krause / RTL)

Meinungsbildung à la RTL

Explosiv – Das Magazin ist ein tägliches Boulevard-Format auf RTL. Täglich bedeutet auch, dass jeden Tag 30 Minuten Programm irgendwie gefüllt werden müssen. Das führt eben auch dazu, dass oft aus dem Nichts ein Thema gebastelt werden muss, das keinen wirklichen journalistischen Anspruch hat.

So zum Beispiel der Bericht zur Gamescom in Köln (ab etwa 12:30 min) vom 19. August 2011. Statt über die Kunstform Videospiel oder gar die Messe objektiv zu berichten, wird über Cosplayer und die Computerspieler an sich hergezogen. Die Messe ist also nur Kulisse für einen Beitrag, der so auf jedem Schulhof, ja sogar in jedem ICE von Leipzig nach München gemacht werden könnte. Aber wenigstens sind so fünf Minuten Programm gefüllt, der Neuigkeitswert der Meldung jedoch tendiert gegen Null. Doch bei RTL ist vor allem der Unterhaltungswert und die Kurzweiligkeit eines solchen Beitrags wichtig.

Dass hiermit jedoch gleich mehrere Personen vor dem Publikum stigmatisiert werden, scheint egal zu sein.

"Das Model und der Gamer" im RTL-Magazin Explosiv. (Screenshot: RTL)
„Das Model und der Gamer“ im RTL-Magazin Explosiv. (Screenshot: RTL)

Auf der einen Seite stehen da die Gamer, die als stinkende, ungepflegte, schnoddrige Freaks – ohne Chance auf eine Freundin – dargestellt werden. Auf der anderen Seite die hübsche und „normale“ Hostess, die die „Freaks“ dann beschreiben soll.

Auf den ersten Blick scheint die Opferrolle klar zu sein: Eine junge attraktive Frau zieht über die Besucher der Messe her. Dass natürlich das Gros der Spieler gar nicht so aussieht und die Aussagen der Protagonisten in einen „runden“ Kontext gestellt wurden, scheint offensichtlich. Statt Weltoffenheit und Toleranz zu zeigen, wird beim Zuschauer jemand der anders ist eben auch als weniger wert dargestellt.

Doch auch die Hostess dürfte mit ihrer Darstellung im Bericht nicht ganz zufrieden sein. Wird sie doch von RTL instrumentalisiert um bestimmte Merkmale der Messebesucher hervorzuheben (Schlabberlook, verkleidet, ungepflegt). Den abwertenden Kontext schafft dann erst der Off-Kommentar indem er „die überwiegende Mehrheit der Messebesucher“ in das Licht der partnerlosen Freaks rückt. Die Hostess selbst geht – bis auf den Körpergeruch – nicht darauf ein, was an diesen Eigenschaften nun schlecht sein soll. Vor allem bei der Cosplayerin fällt kein schlechtes Wort. Die Fraktion der ruhigen Spieler, die „schnell [über die Messe] drüber laufen“, wird gar nicht erst gezeigt, obwohl der Off-Text sagt, dass sie „ein paar typische Vertreter der einzelnen Gruppen [zu] zeigen“ soll.

Dass die Hostess nun die einzige Person im Beitrag ist, deren vollständiger Name gezeigt wird, ist das nächste Problem. Die Meinung, die der Beitrag proklamiert, wird so direkt auf die junge Frau projiziert, so dass sie fürchten muss von wütenden Zuschauern z.B. in sozialen Netzwerken wie Facebook ausgemacht zu werden, und somit dem wütenden Mob – ohne Beistand von RTL – ausgeliefert ist. Doch scheint das den Machern egal zu sein. Klar ist: Sie hat erst nach Aufforderung durch RTL, vielleicht für ein paar Euro extra, den Finger erhoben und gesagt, was ihr an ihrem ersten Tag in einer Welt – die sie so vielleicht nicht aus ihrem Umfeld kennt – durch den Kopf ging. Die Instrumentalisierung geschah dann im Schnitt durch den Redakteur. So kann es doch nicht sein, dass die Meinung einer einzelnen Person – auf so einer großen Veranstaltung – als genereller Fakt dargestellt wird.

Sicher mag nicht jeder ihrer Meinung sein, doch da der Bericht keinen weiteren Protagonisten auf der Seite der Nicht-Gamer enthält, richtet sich die gesamte Wut auf sie. Eine Objektive Berichterstattung, in der mehrere Stimmen zu Wort kommen, sieht anders aus. Denn auch der Off-Kommentar ist deutlich wertend ausgerichtet.

Dieser Beitrag ist nur ein Beispiel von vielen. Selbstverständlich tritt dieses Phänomen auch bei anderen Sendungen und Sendern ebenso auf. Mir lag es heute nur am Herzen, die Sache auch in so weit objektiv zu betrachten, als dass eben nicht nur die Spieler, sondern wirklich alle Protagonisten in diesem Beitrag von RTL instrumentalisiert und vorgeführt werden. Doch leider scheint sich der Sender eben auf so eine Form der billigen Unterhaltung spezialisiert zu haben – es bringt halt Quote.

Da hilft es auch nicht, dass die Redaktion sich am heutigen Tag offiziell für die Art der Darstellung entschuldigt. Dann sind es eben nächste Woche die Trucker, die Kleingärtner oder Rentner, die ihr Fett wegbekommen.

Trotzdem sind die Reaktionen der Spielergemeinde teilweise recht unterhaltsam. Wenn auch mit eigenen inhaltlichen Fehlern.

Ob und welche Konsequenzen die Sache haben wird, bleibt spannend.

Nachtrag vom 26.08.2011: Der Beitrag war laut  niedersächsischer Landesmedienanstalt zwar „ärgerlich“, aber es lag kein Verstoß gegen das Medienrecht vor.